„Unwissenheit bestraft sich durch sich selbst” lautet eine ur-alte Volksweisheit, da u.a. Unwissenheit offensichtlich in allen Rassen und Völkern zu finden ist. Das Maß dessen, ab wann sich Unwissenheit als kleine oder große „Strafe” selbst richtet, wird von der Umgebung, von der wissenstechnischen Entsprechung zum Gemeinschaftsumfeld bestimmt. Heute hat die Gesellschaft mit Analphabeten, mit weltlich Ungebildeten und fachlich-beruflich Unfähigen immer weniger Freude. So haben heute schon Roboter, Computer und Spezialprogramme viele Bürger ‚überholt‘, wodurch diese aus dem Gesellschaftsprozess ausgeschieden und auf Gnadenbrot bzw. Sozialhilfe gesetzt werden (müssen). Dass dieser Gruppe natürlich Bildungs-, besonders Fortbildungsprogramme auf allen Gebieten des täglichen Lebensverhaltens und einer beruflichen Qualifikation anzubieten sind, ist ethisch selbstverständlich. So entstehen im Besonderen durch „Unwissenheit” bei einem zunehmenden Prozentsatz der Bürger zahlreiche Zivilisations-Krankheiten, die zu schwersten gesundheitlichen sowie sozial aufwendigen Wirkungen führen, die ausschließlich über „Aufklärungs”-Bildung zu vermeiden wären. Beruflich mangelnde Qualifikationen führen nicht nur zu Arbeitslosigkeit, sondern in der Folge immer mehr zu kriminellen sowie radikal-politischen Verhaltensweisen. Das große Problem für alle Beteiligten: Auch „Lernen” will und muss ‚gelernt‘ sein! Im Vergleich zu Gestern mussten die jüngeren Generationen auch begreifen, dass man mit nur einer beruflichen Qualifikation für ein ganzes Arbeitsleben heute nicht auskommen kann. Abgesehen davon, dass es keine berufliche Sparte gibt, die nicht einem starken, zunehmenden Entwicklungs- sowie einem dazugehörenden Bildungs- und Ausbildungsprozess unterliegt, muss man – um beruflich erfolgreich zu sein – auch weitere Qualitäten bewusstseinsmäßig sowie charakterlich ausgeprägt und durch die eigene Verhaltensweise deutlich erkennbar unter Beweis stellen können. Es sind besonders die Charakterwerte, die heute wieder zunehmend zählen und auch bei der Besetzung von Vertrauenspositionen zum Tragen kommen. Lernen und Charakterpflege sind daher Grundelemente der Gegenwart, auf die es sich für den Bereich der zivilisatorischen Entsprechung unter Berücksichtigung der konstant anwachsenden Gegenwartsanforderungen bestens vorzubereiten gilt!
Geistig-kulturelles Gegenwartsverständnis und -entsprechung
Die Auf- und Zersplitterung im geistig-religiösen und allgemeinen Lebensverständnis spricht – durch eine Vielzahl an Meinungen in religiös-konfessioneller, auch wissenschaftlicher Vielfalt – für sich. Dieses Meinungs- und Glaubenschaos kann offensichtlich kaum noch überboten werden. Auch die „atheistische” Hoffnung, dass man durch den Aufbruch der Naturwissenschaften in Zukunft einfach ‚alles‘ beweisen oder widerlegen könne und damit Sicherheit auch für die Wirklichkeiten der geistig-kosmologisch-universellen Dimension finden werde, sind wenigstens ebenso imaginär, trivial und an Gläubigkeit gebunden wie die schon erwähnten kirchlich-konfessionell-theologisch-mystischen Thesen. Das uralte Rezept bestand darin, dass man die geistigen Lebensfragen einst an sehr kluge und an Weisheit reiche (= umfangreiche Lebenserfahrung, hohes Wissen und edler Charakter), vertrauenswürdige Mitbürger richtete, die heute offensichtlich nicht mehr zu finden sind. Was ist daher richtigerweise zu tun? Solange das Lesen generell bei schwersten Strafen verboten (in Europa Seitens des Vatikan) bzw. durch Bildungsmangel nicht möglich war, waren die Mitbürger auf Informationen aus anderen Quellen angewiesen. Dadurch entstand auch jene Dialog-Dimension, die sich auf „Gehörtes”, auf „Geglaubtes” und dogmatisch Verordnetes verließ. Durch diese Mund-zu-Mund-Übertragung entstanden verständlicherweise die tollsten Grusel- und Wundergeschichten, die zu Recht als abstrakt, übertrieben sowie falsch zu klassifizieren sind. Die geistige Ordnung des Kosmos bedingt, dass sich jeder Mensch selbst mit den Kernfragen des Lebens – dem Sinn, über Geburt und Tod, über das Leben ‚danach‘, über die Ordnung und Hierarchie der geistigen Welt” u.a.m. gründlich auseinandersetzen muss – was auch zu der Erkenntnis führt, dass es keine Stellvertreter-Lösung, sondern nur Eigenleistung auf der Grundlage von Selbstverantwortung gibt! Das konfessionell-theologische Verständnis des kirchlich organisierten Christentums geht aber – überwiegend – davon aus, dass das Leben nach Eintritt des physischen Todes zwar weiter geht, die Qualität des Weiterlebens aber in absoluter Abhängigkeit der von Seiten eines Gottes gewährten „Gnade” steht, die unabhängig von Taten ist, die während der Lebensphase gesetzt wurden. Dem gegenüber erwarten Materialisten und Atheisten überwiegend, dass es mit Eintritt des Todes ‚absolut‘ keine weitere Individual-Existenz geben würde. Diesem Lebensverständnis steht die Mehrheit einer gläubigen Weltbevölkerung gegenüber, die fest davon ausgeht, dass das Weiterleben nach dem Tod eine logische Folge aus den Naturgesetzen ist und die Qualität in absoluter Abhängigkeit zu den Lebenstaten steht. Hinzu kommt, dass die großen Religionen und Weltanschauungen des Ostens – Buddhismus, Hinduismus. Jainismus, Sikhismus, Konfuzianismus, Taoismus u.a. – von einem „Rad der Wiedergeburt” ausgehen, aus welchem man sich nach Erreichen einer Bewusstseins- und Charakterreife selbst befreien kann, um das Individualleben in geistig höherer Form, frei von physischem Leid und Pein, in geistig höheren Freuden fortzusetzen. Die Befreiung vom „Rad der wiederholten, vielfachen Wiedergeburt” ist – wie schon betont –abhängig davon, wie der Mensch die ihm gegebene Lebenszeit zu seiner geistigen Entwicklung (Bewusstseinserweiterung) und charakterlichen Verfeinerung nutzt. Daher zeichnen sich die asiatischen Religionen und Weisheitslehren besonders dadurch aus, dass ihre Gläubigen bzw. Schüler sowohl in der Jugend als auch im Alter als Mönche in Klosterschulen eintreten, um sich der geistigen Vervollkommnung zu widmen. In letzteren gelten strenge Lehrer- und Schülergesetze, in welchen der Lehrer die absolute Bezugs- und Mittlerposition einnimmt. Der Schüler hat keinen besseren Bruder und Freund als seinen Lehrer! Das heutige europäische Verständnis von Lehrer- und Schülerschaft zeigt bekanntlich in vielen Aspekten zahlreiche geistig-charakterliche Schwächen – bei Schülern, aber vielfach auch bei den Lehrern. Im Allgemeinen sind alle Schulabsolventen froh, nach erfolgtem Schulbesuch ’nie wieder‘ in eine Schule gehen zu müssen. Es sei denn, die Schule wird als Hort des Wissens, der geistigen Vervollkommnung und charakterlichen Übung begriffen. Die Schule der Zukunft sollte sich vermehrt auf Charakter- und Bewusstseinsschulung konzentrieren, die Freude am Lernen bei den Schülern entwickeln und diese als Grundstein für den weiteren Lebens- und Lernverlauf legen.
Zeitschrift Welt-Spirale 05/2010